Seit Stuttgart 21 hat diese Frage auch im bürgerlichen Kreise Einzug erhalten und wird erfreulicherweise nicht mehr nur von denen diskutiert, die regelmäßig Opfer von Übergriffen seitens der Polizei werden.
Hierbei ist es zu einfach zu sagen, die Polizei habe keine Existenzberechtigung. Natürlich ist es notwendig, Verbrechen entgegenzuwirken; eine Gesellschaft ohne ein solches Exekutivorgan würde vermutlich im Chaos versinken. Genau so wenig ist es eine Option, daraus einen hobbeschen Leviathan zu rechtfertigen. Innerhalb der Gesellschaft muss eine Balance zwischen polizeilicher Kompetenz und individueller Freiheit herrschen.
Der Fußball als Abbild der Gesellschaft kann diesen Gedanken verdeutlichen. In den letzten Jahren kam es häufig zu Übergriffen der Polizei auf Fußballfans. Die Frage ist, ob diese Übergriffe gerechtfertigt waren/sind oder nicht. Dieser Text soll und kann darauf keine Antwort finden, denn genauso wie es nicht immer berechtigte Übergriffe der Polizei waren, genauso wenig waren sie immer unberechtigt.
Ist die Wut vieler Fans auf die Polizei also unbegründet?
Die Polizisten im Dienst sind mit Privilegien ausgestattet, welche sie in eine Machtposition gegenüber dem zivilen Bürger versetzt.
Hierzu gehört zunächst die martialische Ausrüstung der Polizisten, die dem Schutz der Beamten, dem Ausdruck von Macht gegenüber dem Bürger, der Einschüchterung des Bürger und nicht zuletzt der Ausübung von Gewalt gegenüber dem Bürger dient.
Zweitens haben die Beamten das Recht, in die Privatsphäre des Bürgers einzudringen , schon indem sie ihn auf der Straße anhalten und nach einem Ausweis fragen. Meldeauflagen, Bannmeilen und Stadionverbote bei Fußballfans sind hier nur weitere Formen der Repression.
Ein wesentliches Privileg der Polizei ist ihre Anonymität im Einsatz. Weder Demonstranten noch Fußballfans wissen, wem sie gegenüberstehen, wer einen durch sein martialisches Auftreten bedroht. Natürlich weiß auch die Polizei nicht immer, wem sie gegenübersteht. Sie hat aber, wie Privileg zwei schon angedeutet hat, immer die Möglichkeit und das Recht, sowie die Mittel, dieses herauszufinden. Dieses Recht ist dem zivilen Bürger zwar ebenfalls gegeben, jedoch ist es in der Praxis nicht umsetzbar. Unzählige Berichte von Personen, die bei einem Großereignis den Namen eines prügelnden Polizisten herausfinden wollten, zeigen, dass diese Information meistens verwehrt werden. Auch andere Polizisten sind nicht bereit den Namen oder Dienstnummer eines Kollegen herauszugeben, weil sie entweder mit ihm befreundet sind oder der Chorgeist sie dazu zwingt.
Mit diesen Möglichkeiten wäre es falsch, den Polizisten mit dem einfachen Bürger gleichzusetzen. Folglich ist es auch nicht richtig, Übergriffe der Polizei auf den zivilen Bürger mit Straftaten des Bürgers gleichzusetzen und als gegeben hinzunehmen. Die Polizei hat den Auftrag und wird dafür bezahlt, nach dem Gesetz zu handeln. Dafür haben sie Privilegien erhalten. Der Missbrauch dieser Privilegien muss als wesentlich schwerwiegender gesehen werden, als die Straftat des einzelnen Bürgers, weil die Freiheit und der Schutz der Bürger gefährdet ist. Sobald Menschen ohne Konsequenzen Straftaten begehen können und zudem auch noch mit den Werkzeugen ausgestattet sind, um so zu handeln, ist eine demokratisch rechtsstaatliche Ordnung in Gefahr.
Wie kann man diesem Missbrauch der Privilegien entgegenwirken?
Der Missbrauch von Macht durch die Polizei während eines Einsatzes ist ein nicht hinzunehmender Missstand in der BRD. Die mangelnde Transparenz des Einsatzes ist ein Hauptgrund dafür, dass dieser Missstand so oft so offen zu Tage tritt. Vor allem die Sicherheit, nicht erkannt zu werden und die daraus resultierende mangelnde Konsequenz ihres Handelns veranlassen Polizisten im Dienst, Gesetze zu überschreiten und von ihren Privilegien rechtswidrig Gebrauch zu machen. Genau diese Sicherheit gilt es den Beamten zu nehmen. Dies geschieht nicht durch interne Memos, Aufrufe o.ä. durch den Polizeipräsidenten. Es darf nicht dem einzelnen Polizisten überlassen werden, wie er handeln möchte. Schluss mit dem Vertuschen von Polizeigewalt und her mit einer Kennzeichnung der Polizei, die eine Verfolgung von Straftaten im Amt ermöglicht!
Die Kennzeichnungspflicht darf nur der erste Schritt sein. Momentan ermittelt, wenn überhaupt, Polizist gegen Polizist. Warum gibt es keine unabhängige Institution, die sich mit Straftaten von Polizisten beschafft? Wer überwacht die Wächter?

BOYS UNITED im Februar 2011